Da in Europa die Wirtschaft seit der Finanzkrise 2007/2008 nicht mehr richtig in Schwung gekommen ist und auch die gewünschte Inflationsrate von nahe 2% nicht erreicht wurde, griff die EZB auf ihr „Werkzeug“ zurück. Die Leitzinsen wurden daraufhin drastisch gesenkt und stehen seitdem auf einen Rekordtief. Diese Zeit seit der Senkung nennt man Niedrigzinsphase.
Welche Auswirkungen ergeben sich durch die niedrigen Zinsen?
Durch die Senkung der Leitzinsen wird mehr Geld in Umlauf gebracht. Das hat zur Folge, dass Kreditinstitute die Zinsen, welche sie von den Kunden für Kredite berechnen, ebenfalls senken. Dadurch sind mehr Menschen bereit Geld aufzunehmen, dieses zu investieren oder auszugeben.
Für alle, die jetzt Geld für Investitionen aufnehmen, ist diese Niedrigzinsphase sehr lukrativ. Warum dies im Moment der Fall ist, erkläre ich euch kurz anhand eines Beispiels:
Angenommen ein Ehepaar braucht einen Kredit um sich den Wunsch für ein Eigenheim zu finanzieren. Vor nur wenigen Jahren hätten sie dafür einen Zinssatz von ca. 5% p.a. zahlen müssen. Heute wiederum, bei den niedrigen Zinsen müssten sie in etwa nur noch 2% p.a. Zinsen für ihren Kredit bezahlen.
Das hört sich jetzt nach nicht viel an, allerdings sind 3% Differenz bei 100.000,00€ immerhin 3.000,00€ im Jahr. Zum Vergleich: Das durchschnittliche monatliche Netto-Einkommen in Deutschland beträgt 1.800,00€ pro Arbeitnehmer.
Die niedrigen Zinsen beeinflussen natürlich nicht nur die Kreditzinsen, sondern auch die Zinsen für Spareinlagen. Im Gegensatz zu günstigen Sollzinsen bei Kreditgeschäften sind niedrige Zinsen für Spareinlagen schlecht für Sparer, die ihr Geld lieber konservativ anlegen wollen. Ein positiver Aspekt, der sich aber dennoch daraus ergibt ist, die Ankurblung der Wirtschaft durch eine steigende Zahl an Investitionen.
Die Niedrigzinsen wirken sich auch negativ auf die Pensionskassen und Versicherungen aus, bei denen Kunden Ihre Gelder zum Beispiel in ihre Altersvorsorge investieren und sich durch die niedrigen Zinsen weniger Geld in den Verträgen ansammelt.
Des Weiteren werden die Banken stark von der Niedrigzinspolitik belastet, denn durch die niedrigen Zinsen schwindet auch die Zinsspanne (= die Differenz zwischen dem hereinnehmen und ausgeben von Geld). Um das Sinken der Zinsspanne zu umgehen, gibt es nur wenige Möglichkeiten. Beispielsweise könnten die Banken von Ihren Kunden Gebühren für das Anlegen Ihrer Gelder verlangen, dies ist allerdings nur schwer umzusetzen, da negative Zinsen für Privatpersonen nicht in jedem Fall erlaubt sind.
Die Banken stehen nun also vor einem Problem. Immer mehr Anforderungen an das Risikomanagement und das Meldewesen durch die Aufsichtsbehörden und gleichzeitig ein immer größerer Kostendruck durch schwindende Margen im Kreditgeschäft. Deshalb wird in den meisten Banken über Fusionen und Kosteneinsparungen (z.B. Geschäftsstellenschließungen, Personalabbau usw.) nachgedacht und auch verwirklicht.
Wann ist eine Änderung in Sicht?
Eine Änderung des aktuellen Zinsniveaus ist erst einmal noch nicht in Sicht. Allerdings hat die EZB ihre sehr lockere Geldpolitik wieder etwas zurückgefahren und die Anleihenkäufe von 80 Mrd. EUR auf 60 Mrd. EUR pro Monat zurückgefahren.
Eine rasante Änderung des Zinsniveaus könnte sehr fatale Auswirkungen haben, da sich viele Unternehmen an das „billige“ Geld gewöhnt haben und dadurch große Kosten auf die Unternehmen zukommen, welche ggf. die Zahlungsfähigkeit negativ beeinflussen.
Deshalb wird eine Zinsänderung nur Schrittweise vollzogen um die erreichten Fortschritte nicht zu gefährden.
Euer
Jakob Stuiber